Malwin, du arbeitest als Programm-Manager im Bereich Elektromobilität – ein spannendes und vor allem zukunftsreiches Feld. Wie hat es dich hierhin verschlagen?
Ich denke, angefangen hat alles bei meinem Opa in der Werkstatt. Da war ich schon mit vier Jahren immer bei ihm in der Werkstatt und er hat mir gezeigt, wie Feilen, Hobeln, Schweißen und so weiter funktioniert. Wir haben gemeinsam Reparaturen am Haus gemacht, irgendwo ein Geländer gebaut, im Garten gearbeitet … Mein Opa hatte einfach alles in seiner Werkstatt, jedes Werkzeug, das du so brauchst.
Es war schon cool, Dinge zu reparieren, die man alltäglich verwendet. Und ich glaube, dass mein Interesse an der Technik wahrscheinlich daraus resultiert, dass ich so aufgewachsen bin.
Es hat sich also schon früh entschieden, dass du in die Technik gehst?
Nach der Realschule in Berchtesgaden habe ich beschlossen, einen Beruf zu lernen. Davor hatten wir in der Schule dieses Berufspraktikum – bei mir war das in einer Werkzeugmacherei. Das fand ich im Praktikum schon ganz cool, mit Metall zu arbeiten und Werkzeuge herzustellen, und dementsprechend habe ich im selben Betrieb meine Lehre begonnen.
Die Lehre zum Werkzeugmechaniker war auf jeden Fall sehr interessant. Man lernt einfach unglaublich viel Praktisches: Schweißen, Schleifen, Honen, die gesamte Metallverarbeitung. Auch die Elektrotechnik spielte eine gewisse Rolle – wir mussten schließlich die Schaltschränke bedienen und mit dem Schweißgerät umgehen können. In Summe ist es durchaus ein praktisches Handwerk, das man eigentlich nie verlernt.
Aber nach einem halben Jahr als Lehrling habe ich schon festgestellt, dass es für mich persönlich wohl nicht das Richtige wäre, wie die Gesellen im Betrieb ein Leben lang dasselbe zu machen. Darum habe ich relativ rasch den Entschluss gefasst, dass ich die Lehre zwar fertig machen werde, aber unabhängig davon noch eine weitere Ausbildung machen möchte im technisch-akademischen Bereich.
Danach bist du nach Graz auf die FH Joanneum gegangen, oder?
Genau. Das war aber purer Zufall. Zuerst habe ich in Bayern das Fachabitur abgeschlossen, dann habe ich am Tag der offenen Tür der FH von diesem dualen Studium gehört (Anm.: BSc Produktionstechnik und Organisation).
Das hat mich gleich angesprochen – zum einen, weil sowohl technische als auch wirtschaftliche Fächer dabei waren; zum anderen, weil man in dieser dualen Variante zugleich studieren und Berufserfahrung sammeln konnte. Und das war auch das, was mir am meisten gefallen hat, weil ich davor schon gearbeitet hatte.
Im Prinzip sah es so aus, dass man sich einen Betrieb aussuchen konnte, in dem man seine Praktika absolviert. Und ich weiß noch, in meinem ersten Jahr in Graz hat die FH diesen Marathon organisiert, an dem auch Absolventen teilnahmen. Bei dieser Veranstaltung lernte ich einen Kollegen kennen, der für BMW Steyr tätig war, und nach dem Marathon hat er mich einfach gefragt, ob ich nicht Lust hätte, meine Praktika in Steyr in Oberösterreich durchzuführen.
Da habe ich eine Nacht lang überlegt, hatte aber schnell das Gefühl, dass das richtig cool sein würde, bei BMW einen Praktikumsplatz zu bekommen. Das war es dann zum Glück auch. So bin ich schon während des Studiums in die Autoindustrie gekommen, in der ich heute noch zu finden bin.
Hast du im Studium viele Inhalte gelernt, die dich auf deinen späteren Job vorbereitet haben?
Auf jeden Fall. Im Bachelor lag der Fokus sehr stark auf der Technik – da wurden die Grundlagen geschaffen, die einfach wichtig sind, um technische Systeme und deren Zusammenhänge zu verstehen. Aber es gab auch schon ein paar Management-Inhalte, wie Logistik und Projektmanagement. Das hat im Master dann zugenommen (Anm.: MSc Engineering and Production Management).
Mir hat es bei BMW sehr gefallen, Produktionskonzepte zu entwickeln und neue Ideen hervorzubringen – neue Automatisierungsprozesse auszuarbeiten, zum Beispiel, und das Ergebnis dann vor dem Management zu präsentieren. Ich glaube, das hat mir auch damals schon gut gelegen. Darum mochte ich es besonders, dass im Master nicht nur die technischen Inhalte vertieft wurden, sondern vor allem auch die im Managementbereich.
Außerdem hatte ich im Master die Möglichkeit, ein Auslandssemester in Holland (Anm.: Windesheim University of Applied Sciences) zu machen. Das war eine super Zeit, in der ich viele neue Leute kennengelernt habe. Und die Inhalte an der Uni waren natürlich abgestimmt auf unseren Lehrplan – wir hatten dort zum Beispiel Six Sigma, ein Tool aus der Qualitätstechnik für die Erhöhung der Prozessstabilität. Im Grunde beobachtet man, wo die Fehler im Prozess liegen, um mit diesen Methoden den Prozess verbessern.
Am Ende des Studiums hat man dementsprechend ein Grundverständnis von einem gesamtbetrieblichen Optimum. Das umfasst all die einzelnen Aufgaben – HR, Supply Chain Management, Robotik, Leadership, Product Development, Marketing usw.
Durch die Lehre hatte ich den praktischen Bezug dazu, was in einer Produktion geschieht – man weiß, was man wirklich in den Händen hält. Durch das Studium lernt man das Gesamtsystem zu verstehen und im Auge zu behalten.
Heute behältst du ja ein betriebliches Gesamtsystem im Bereich E-Car-Batterien im Blick. Denkst du, man könnte in diesem Job auch ohne technisches Know-How erfolgreich sein?
Das kann schon funktionieren, aber ich stelle es mir schwierig vor. Man sollte schließlich verstehen, was genau im Projekt geschieht – du musst ja laufend argumentieren, gegenüber der Geschäftsführung, Lieferanten, Kunden, und da hilft einem der technische Background.
Speziell in dem Bereich, wo ich jetzt tätig bin, ist natürlich ein klarer elektrotechnischer Bezug da. In der Batterie hast du die Lithium-Ionen-Zelle, die einen wesentlichen Bestandteil darstellt und die Elektrotechnik widerspiegelt. Theoretisch musst du als Projektleiter nicht wissen, wie die Zelle funktioniert. Aber natürlich interessiert es dich irgendwo – wie die Zellen hergestellt werden, wie der Strom geladen wird, welche Funktionen es in einer Batterie gibt und so weiter.
Man muss einfach verstehen, wie das Gesamtsystem zusammenspielt und auch, welche Fehlfunktionen auftreten können. Und um dieses System zu verstehen, braucht es ein gewisses Grundverständnis in Elektrotechnik. Das ist schließlich nicht einfach ein Getrieberad. Die Zellen bringen eine Komplexität in das System. Da gibt es noch einen elektrischen Verbinder zwischen den einzelnen Zellen, man hat Relais und Schalter und Sicherheitsfunktionen in der Batterie sowie Software.
Es gibt wahrscheinlich niemanden, der so ein gesamtes Batteriesystem allein kreieren könnte. Das ist ein Zusammenspiel aus hunderten Expert*innen, wo jeder seine Expertise miteinbringt.
Abgesehen vom technischen Background, welche Expertise ist für deinen Beruf notwendig?
Kommunikation und Organisation stellen wahrscheinlich den Großteil meiner täglichen Arbeit dar. Als Projektleiter musst du klare Strukturen setzen und klar kommunizieren, was deine Erwartungshaltung ist und wer jetzt was zu tun hat bis wann. Du musst dein Team immer motivieren und koordinieren können. Dazu braucht es natürlich Fingerspitzengefühl, aber auch eine gewisse Durchsetzungsstärke und Selbstdisziplin.
Diese Fähigkeiten konnte ich durch einen berufsbegleitenden Executive Master of Business Administration (Anm.: MBA General Management an der California Lutheran University) noch weiter stärken. In diesem Rahmen habe ich verschiedenste Module absolviert, zum Beispiel Leadership, Negotiation, People Management, Entrepreneurship, Organization Development und Recht.
Ist es der Umgang mit Menschen, der dir an deinem Beruf am meisten Spaß macht? Oder sind es noch andere Aspekte?
Das Thema Kommunikation interessiert mich schon sehr, und das liegt mir auch gut. Aber natürlich interessiert mich auch stark das Thema Batterie an sich. Es ist schließlich ein Markt, der seit 2012 kontinuierlich wächst und die Elektromobilität wird immer mehr vorangetrieben. Zum einen, weil es die neuen Umweltauflagen der Bundesregierung erfordern, und zum anderen, weil die Nachfrage immer mehr steigt.
Das Umweltthema liegt mir außerdem auch persönlich am Herzen. Was mich in den Städten am meisten stört, sind dieser ganze Feinstaub und der Lärm der Motoren. Wenn Autos an dir vorbeifahren, ist das einfach viel zu laut. Man sollte schon daran arbeiten, dass die Städte sauberer werden und die dreckigen Verbrenner rauskommen aus der Stadt, um die Lebensqualität in den Städten zu verbessern.
Die Herstellung von E-Car-Batterien wird allerdings immer wieder als umweltschädlich kritisiert – schließlich ist der dafür notwendige Lithiumabbau auch nicht gerade sauber.
Was würdest du jungen Menschen raten, die hier einen Beitrag leisten und Technik mit Umweltschutz verknüpfen wollen?
Das Wichtigste ist, immer neugierig zu bleiben – und offen für Neues. Wenn man etwas gelernt hat mit 18, heißt das nicht, dass das der Weisheit letzter Schluss ist. Die Entwicklung geht weiter – es ändern sich laufend die Umwelt und Einflussfaktoren, die wiederum auf die Firmen und Technologien wirken.
Natürlich kann man nicht allein die Welt neu erfinden. Unsere heutigen Batteriesysteme sind komplex, die werden nicht von heute auf morgen in einem Start-Up mit drei Köpfen neugeboren. Zusammenarbeit ist sehr wichtig. Und da kann glaube ich jeder interessierte Techniker und jede interessierte Technikerin einen Beitrag leisten.
Energie: Das ist auch ein zentrales Thema für Alexander Pirker. Warum? Das erfährst du hier!