Teresa, du bist eine von immer noch wenigen jungen Frauen, die sich für ein Technikstudium entschieden haben. Wie war das für dich?
Angefangen habe ich ja mit Maschinenbau – da waren wirklich sehr viele Jungs (lacht). Ich würde sagen, der Frauenanteil lag bei maximal 20 Prozent, vielleicht auch nur 15. Gerade in den großen Hörsälen hat sich das dann schon bemerkbar gemacht. Da hat man bei 500 Jungs dann nur vereinzelt ein paar Mädels im Raum gesehen.
Das war am Anfang schon komisch – vom Gymnasium habe ich es schließlich anders gekannt, da waren wir mehr Mädels und weniger Jungs. Aber an sich hat mich das überhaupt nicht gestört. Die Zusammenarbeit und das gemeinsame Lernen mit den Jungs war total easy, da hat’s nie Probleme gegeben. Ich habe es aber immer schade gefunden, dass so wenig Frauen das machen – dass sich das so wenig Frauen zutrauen, obwohl es die Möglichkeiten gibt. Auch vom Gymnasium aus ist es möglich, das zu lernen und zu schaffen, wenn man es will.
Du bist ja direkt vom Gymnasium in die Technik eingestiegen, oder?
Genau. So geplant war das eigentlich nicht – in der vierten Klasse hatte ich mich schon für die HTL in Zeltweg beworben, für Maschinenbau. Die Technik hat mich schon damals interessiert: Ein Teil meiner Familie arbeitet als Verfahrenstechniker und wir haben daheim schon immer viel gebastelt, Modellflieger gebaut und auch an den Mopeds herumgeschraubt. Da war ich immer als Assistentin von meinen großen Brüdern dabei (lacht). Es war also schon früh irgendwie da, dieses Interesse an der Technik, und deswegen habe ich mich dazu entschlossen, in diese Richtung zu gehen.
Aber für die HTL habe ich dann doch einen Rückzieher gemacht, weil ich diese Klassenliste bekommen habe – und da waren 33 Jungs und ich als einziges Mädchen aufgelistet. Da habe ich mir damals mit 14 gedacht: Ich weiß nicht, ob ich das 5 Jahre lang schaffe, ob ich dann überhaupt noch die Freude habe an der Technik. Als einziges Mädel kam mir das schwierig vor, sogar die Professoren waren alle männlich. Also habe ich beschlossen, das Gymnasium fertigzumachen – wenn ich dann mit 18 immer noch auf die TU will, kann ich das ja nach wie vor machen, dachte ich mir. Und so war es dann auch.
Glaubst du, dass das Studium schwieriger für dich war, weil du davor keine HTL besucht hast?
Das Studium war natürlich nicht leicht, aber die Technikstudien an der TU sind generell anspruchsvoll. Du kannst in der Schule sehr gut sein in Mathe, und dann kommst du auf die TU und Mathe 1, Mathe 2 sind trotzdem heftig. Das war für die HTL-er nicht anders. Es gibt Prüfungen, wo man sich darauf einstellen muss, dass man eben einmal drei, vier Wochen nur dafür lernt und nichts anderes tut. Mit der Schule kann man das nicht wirklich vergleichen.
Aber man wird nicht alleingelassen. Es gibt so viel Unterstützung: Rechenübungen, wo dir die Tutor*innen helfen, wo du Hausübungen bekommst. Du lernst das wirklich laufend mit, und wenn du es willst, dann schaffst du es auch. Ich war in der Schule zwar nicht schlecht in Mathe, aber auch nicht das Superbrain. Trotzdem habe ich die Prüfungen auf der TU geschafft – ich habe eben einfach gelernt und es dann irgendwann verstanden.
Ein HTL-Abschluss oder die Klassenbeste in Mathe zu sein, das ist nicht die Voraussetzung für ein Technikstudium. Viel wichtiger sind Ehrgeiz, Interesse und ein gewisses Verständnis.
Diese Ansicht teilt Teresa mit Nicole Kögler – wie Nicole in der Technik gelandet ist, erfährst du hier!
Dein Interesse hat sich dann ja in Richtung Verfahrenstechnik bewegt, wo du auch deinen Master abgeschlossen hast. Was fasziniert dich so an diesem Feld?
Im Maschinenbau-Studium habe ich irgendwann gesehen, dass es wirklich rein konstruktiv ist, vor allem, als der Fokus dann immer mehr auf Maschinenelementen lag. Es geht zum Beispiel um Schraubenberechnung und Ähnliches, aber die Prozesse innerhalb der Maschine bekommst du nicht wirklich mit. Du baust um die Maschine herum, aber du weißt absolut nicht, was da drinnen genau passiert, welcher Prozess sich gerade abspielt und so weiter. Als Verfahrenstechnikerin wiederum lernst du genau das – und das hat mich eigentlich viel mehr interessiert.
Insgesamt mag ich an der Verfahrenstechnik, dass es so viele verschiedene Aspekte vereint. Einerseits kannst du viel programmieren und Simulationen durchführen, andererseits ist es auch ein sehr praktisches Studium. Ich habe zum Beispiel drei Jahre lang in einem Forschungszentrum für Pharmazie gearbeitet. Da war ich in der Simulationsabteilung tätig und habe Partikelprozesse am Computer simuliert – so spart man sich teure Experimente und kann sich am Bildschirm anschauen, was zum Beispiel in so einem Wirbelschichtgenerator überhaupt passiert.
Aber man steht im Studium auch viel im Labor: Du baust deine Versuche auf, du siehst den Versuch, du machst Experimente, bist quasi wirklich dabei und siehst real deine Ergebnisse. Man hat also sowohl den Theorie- als auch den Praxisbezug.
Wie sehen die Jobmöglichkeiten mit einem Abschluss in Verfahrenstechnik aus?
Die Jobchancen sind wirklich sehr gut. Verfahrenstechnik an der TU Graz ist ein ganz kleines Studium – da fangen 40 bis 50 Leute pro Jahr an, und fünf bis sechs schließen es jährlich ab. Das heißt, es gibt zurzeit sehr wenige Menschen mit dieser Ausbildung, aber sehr viele Jobs. In Österreich, Deutschland, Schweiz – eigentlich auf der ganzen Welt werden so viele Verfahrenstechniker*innen gesucht, weil du im Prinzip eine Mischung aus allem bist. Du bist ein bisschen Maschinenbauer*in, ein bisschen Chemiker*in, auf jeden Fall bist du auch Prozesstechniker*in, du kennst dich in der Elektrotechnik aus … Wie gesagt, es vereint einfach sehr vieles.
Ich würde sagen, wir sind die Schnittstelle – wir kennen uns überall ein bisschen aus. Und das Wichtigste in der Technik ist nun einmal dieses überschneidende Arbeiten. Wenn ich zum Beispiel eine Anlage baue, muss ich der Elektrotechnikerin erklären können, was diese Anlage können muss, was ich mir erwarte. Nur so kann sie dann auch verstehen, wie sie da bauen muss. Genauso ist es beim Maschinenbauer: Was kommt da hinein, welchen Stahl brauche ich? Oder in der Chemie: Was sind die Verhältnisse der Mischungen? Als Verfahrenstechnikerin lernst du das alles ein bisschen, damit du es koordinieren kannst.
Hast du das Gefühl, dass du es als Frau in diesem Bereich schwerer hast?
Es gibt schon ein paar ältere Professoren, die noch sehr konservativ eingestellt sind und teilweise Sachen fallen gelassen haben wie: Als Frau sollte man besser an eine FH gehen. Oder: Als Frau sollte man sich das schon gut überlegen, ob man in die Technik will, oder ob man den Master überhaupt an der TU machen will. Solche Sachen habe ich schon gehört – auch in Prüfungssituationen. Heute würde ich da anders reagieren. Aber wenn du da so dasitzt, mit Anfang 20, schluckst du das eben hinunter, weil du dich nichts zu sagen traust.
Es wird allerdings besser, vor allem bei den jungen Vortragenden. Mittlerweile gibt es ja schon einige Professorinnen, auch wenn es immer noch zu wenige sind, finde ich. Aber Frauen in der Technik, das wird immer mehr akzeptiert und gefördert. Die TU bietet auch einige Programme an, wie zum Beispiel Workshops, die spezifisch für Frauen ausgerichtet sind. Also es geht auf jeden Fall in die richtige Richtung.
Was würdest du jungen Menschen – vor allem Mädchen – mitgeben, die auch in die Technik gehen möchten?
Wenn ich sage, dass ich auf der TU bin und Verfahrenstechnik mache, höre ich immer wieder dieses Klischee: Was, für eine Frau? Ist ja arg! Aber das ist einfach schon so veraltet. Genauso wie: Aber ich bin nicht so gut in Mathe, oder: Ich kann ja Sprachen so gut. Ich war im Gymnasium auch gut in Sprachen und es hat mir auch sehr gefallen. Aber ich sage immer, man hat nicht nur eine Stärke und eine Schwäche. Meistens hat man mehrere Stärken und mehrere Schwächen. Nur weil man in einer Sache gut ist, heißt es nicht, dass man in allen anderen Sachen schlecht ist.
Man kann alles lernen, solange man sich dafür interessiert. Das ist das Wichtigste. Und auch wenn es zurzeit immer noch weniger Mädels als Jungs in der Technik gibt, hat sich da schon etwas verändert. Die alten Klischees stimmen einfach nicht, und man sollte sich nicht davon abhalten lassen. Vor allem als Frau.
Teresa Jagiello ist mittlerweile bei Hycenta als Entwicklungsingenieurin im Bereich Wasserstofftechnologien tätig.